Power-to-X: So schaffen wir Klimaschutz und Versorgungssicherheit

Die Elektrifizierung ermöglicht uns den vollständigen Verzicht auf fossile Energien. Den dafür notwendigen Strom können wir in der Schweiz mit erneuerbaren Energien selbst produzieren. Heute mangelt es aber an ausreichend Speichermöglichkeiten für die Wintermonate. Speicherseen sind und bleiben zentral, dazu muss die Schweiz aber rasch und breit in Power-to-X investieren, auch mit eigenen Produktionsanlagen in der Schweiz. So können wir überschüssigen Sommerstrom im Winter verbrauchen und den Schwer- und Flugverkehr klimaneutral machen. Dank Power-to-X kann die Schweiz die Versorgungssicherheit ohne den Neubau fossiler oder atomarer Grosskraftwerke sicherstellen.

Unsere Forderungen

Die Grünliberalen fordern eine nationale Strategie für Power-to-X-Technologien – mit Fokus weit über Wasserstoff hinaus. Es braucht:

  • Förderung von technischen Innovationen in Wissenschaft und Industrie
  • Bau von Power-to-X-Anlagen auch in der Schweiz, welche die Versorgungssicherheit in Krisenlagen gewährleisten
  • Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen (gleich lange Spiesse für alle Stromspeicher, gleich lange Spiesse für alle chemischen Energieträger, angepasste Raumplanung für Knoten der Sektoren-Kopplung)
  • Klimaneutraler Flugverkehr durch Beimischquote von Sustainable Aviation Fuel von 100% bis 2050
  • Internationale Kooperation (EU-Transport-Infrastruktur und gut diversifizierte weltweite Lieferketten. Energie- und Stromabkommen mit der EU)

Ausgangslage

Im 19. Jahrhundert haben die Menschen die Elektrizität nutzbar gemacht, im 20. Jahrhundert wurde sie zum Treiber für Innovation und Wohlstand. Unsere Herausforderung im 21. Jahrhundert ist es, sie nachhaltig zu machen. Dabei geht es aber nicht mehr nur um Strom, sondern um das ganze Energiesystem. Neben ausgebauten und intelligenten Stromnetzen und mehr Flexibilität beim Verbrauch braucht es optimierte Speichersysteme. Ein Fokus muss dabei auf der sogenannten Saisonspeicherung liegen, bei welcher Energie in lagerbarer Form über mehrere Monate gespeichert wird, bevor sie verbraucht wird. Das Ziel: sommerliche Stromüberschüsse für den Winter nutzbar machen.

 

Bei der Umwandlung von Strom in chemische Speichermedien spricht man von Power-to-X oder P2X. Das X steht dabei für das chemische Speichermedium, das fest, flüssig oder gasförmig sein kann. Oft bezeichnet man diese Stoffe X als Synfuels.

Richtig eingesetzt hat Power-to-X enorme Vorteile

Zielgerichteter Einsatzbereich von P2X

P2X und die Nutzung von Synfuels werden in Zukunft eine wichtige Rolle auch für andere Anwendungsbereiche als die Stromspeicherung spielen. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist demnach wichtig, und es muss je nach Herstellungsweg, Typ und Anwendungsbereich abgewogen werden. Ein gutes Beispiel für eine solche Beurteilung ist die Abschätzung der Einsatzbereiche von Wasserstoff nach Michael Liebreich.

Quelle: Von Philipp Büttgenbach, basierend auf Michael Liebreich/Liebreich Associates, Clean Hydrogen Ladder, Version 4.1, 2021. Konzept: Adrian Hiel, Energy Cities.

Mehr Resilienz dank guter Lagerbarkeit

Die sehr gute Lagerbarkeit von chemischen Energieträgern ist ein grosser Vorteil gegenüber Strom. Mit der Lagerung von grösseren Energievorräten in Form von Synfuels in der Schweiz machen wir uns zudem unabhängiger von externen Schocks (Pandemien, Kriege, Unwetter oder Ausfall/Einschränkungen beim Stromimport, grossen Preisschwankungen). Das ganze Schweizer Energiesystem wird mit einem angemessenen Synfuel-Lager wesentlich resilienter. Dazu sollen die bestehenden Speicher schrittweise so umgenutzt werden, dass erneuerbare Flüssigkeiten wie Methanol oder synthetisches Kerosin statt fossile Flüssigkeiten gelagert werden.

 

Unter den verschiedenen Synfuels gibt es aber auch Unterschiede. So ist das Volumen bei der Gasspeicherung (z.B. bei gasförmigem Wasserstoff) ein limitierender Faktor. Zudem wird für die Speicherung zusätzliche Energie benötigt, um die Gase zu komprimieren. Für eine saisonale Speicherung und lange Transportdistanzen bieten sich deshalb flüssige Energieträger an.

 

Effizienz als Herausforderung

Bei jeder Umwandlung von einem Energieträger in einen anderen geht nutzbare Energie «verloren». Aufgrund dieser Verluste eignet sich die P2X-Technologie nur unter gewissen Bedingungen als reiner Stromspeicher. Die wichtigste Bedingung ist, dass genügend günstiger, erneuerbar produzierter Strom vorhanden ist. Das ist nur dann der Fall, wenn Photovoltaik und Windenergie in Europa massiv ausgebaut werden. Der Überschussstrom aus dem Sommer kann dann genutzt werden, um die Winterstromlücke zu füllen. Jürg Grossen hat das in seiner Roadmap detailliert berechnet und aufgezeigt, wie sich die Schweiz trotz einer verstärkten Elektrifizierung und nach Abschalten der Atomkraftwerke selbst mit genügend Strom versorgen kann.

 

Kosten sinken rasch

Es ist unvermeidlich, dass bei der Umwandlung von Strom in ein Synfuel Kosten entstehen. Die Frage der Wirtschaftlichkeit hängt von vielen Faktoren ab. Wichtige Faktoren sind die Kosten für die Umwandlung, die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Stroms bei einer Rückverstromung resp. der Erlös beim Verkauf der Synfuels sowie die Lager- und Transportkosten. Mit den richtigen Preisanreizen kann P2X wirtschaftlich und nachhaltig sein. Der entscheidende Faktor ist die Skalierung der Technologie. Werden Synfuels künftig weltweit für das klimaneutrale Fliegen, für den klimaneutralen Schwer- und Schiffsverkehr und für die Langzeit- und Saisonspeicherung eingesetzt, werden die Kosten für das ganze Verfahren wesentlich sinken. Genauso wie sich in den vergangenen 30 Jahren die Kosten für Photovoltaik und Batterien um Faktoren reduziert haben.

 

 

Position und Forderungen der Grünliberalen

Initiativen aus Forschung und Wirtschaft

In ihrem Strategiepapier zur Energieversorgung  haben die Grünliberalen die Energiespeicherung als eine der vier Säulen ihrer 4-E-Strategie hervorgehoben. P2X ist eine Schlüsseltechnologie für die Saisonspeicherung. Die Grünliberalen fordern deshalb Initiativen, welche die P2X-Technologien vorantreiben. Dazu gehören Initiativen des Swiss Power-to-X Collaborative Innovation Network (SPIN), das von Martin Bäumle mitgegründet wurde und heute in enger Kooperation mit Swissmem agiert, um die Thematik zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik besser zu vernetzen und voranzutreiben. Eine andere Initiative geht von ETHZ und EPFL aus, die sich mit Partnern aus der Industrie zu einer Forschungsplattform zusammengeschlossen haben, um genau diese Themen verstärkt anzugehen.

 

Forderungen:

  • Die Forschung ermöglicht Fortschritte in der Umwandlungseffizienz und die Industriepartner eine verbesserte Wirtschaftlichkeit – sowohl bei der Entwicklung und Herstellung von Geräten wie auch als Energieabnehmer.

 

 

Anreize durch faire Rahmenbedingungen

Auf politischer Ebene müssen die Rahmenbedingungen für den Einsatz von P2X-Technologien als Stromspeicher richtig gesetzt werden.

 

Das Netznutzungsentgelt muss technologieunabhängig werden. Solange Pumpspeicher davon befreit sind, muss dies für alle Stromspeicher gelten. Für die Stromversorgungssicherheit (Verbesserung der Resilienz) ist es unabdingbar, dass bei einer vermehrten Nutzung von Synfuels in der Stromversorgung entsprechende Speichermöglichkeiten und Pflichtlager in der Schweiz geschaffen werden.

 

Wie bei der Rückverstromung spielen die Tarife für die Nutzung des Stromnetzes eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit. Physikalisch wie auch wirtschaftlich ist es deshalb sinnvoll, wenn P2X-Anlagen möglichst nahe an bereits bestehender Infrastruktur (Netze und Transformatoren) oder direkt neben grossen Stromproduktionsanlagen erstellt werden, um die Netzbelastung zu optimieren und nach Möglichkeit auch die Wärme zu nutzen. Die Grünliberalen fordern deshalb eine raumplanerische Sicherung von geeigneten Standorten, an denen verschiedene Energienetze zusammenkommen und ggf. eine Anbindung an die Hauptachsen der Mobilität gewährleistet ist (siehe das Postulat Schaffner).

 

Ein anderes Hindernis in der Erzeugung und Anwendung der verschiedenen Synfuels ist, dass die bestehenden Regulierungen von den bekannten Energieträgern Benzin, Diesel, Heizöl und Kerosin ausgehen. Dadurch können sich Benachteiligungen von CO2-neutral hergestellten Synfuels ergeben, die deren Entwicklung bremsen. Am Beispiel Methanol betrifft das u.a. erhöhte Sicherheitsvorschriften und reduzierte Tankgrössen gegenüber Benzin, obwohl Methanol nicht gefährlicher ist als Benzin. Eine andere Benachteiligung ist steuerlicher Natur, da Steuern pro Volumen erhoben werden und Methanol eine rund halb so grosse Energiedichte aufweist wie Benzin oder Heizöl. Die Grünliberalen fordern deshalb die Anpassung von Gesetzen und Regulatorien, damit Synfuels im Vergleich zu fossilen Alternativen nicht benachteiligt werden. Ebenfalls sollen sie ausgenommen werden von Lenkungsabgaben auf fossilen Energieträgern, die nötig und sinnvoll sind (CO2-Abgabe, künftig möglichst auch auf fossile Treibstoffe etc.).

 

Forderungen:

  • Gleichbehandlung aller Speichertechnologien beim Netzentgelt
  • Schaffung von Speicherreserven in Form von Synfuels
  • Raumplanerische Sicherung von Standorten für P2X-Anlagen
  • Keine Benachteiligung von Synfuels gegenüber fossilen Alternativen

 

 

Power-to-X als Schlüssel für klimaneutralen Flugverkehr

Für den Umbau des Energiesystems spielt der Flugverkehr eine entscheidende Rolle. Die Mobilität und das Reisen auch über die Kontinente und die Transporte werden bleiben, womit der Flugverkehr ein Teil dieser Mobilität sein wird. Deshalb muss dieser bis 2050 CO2- bzw. klimaneutral werden. Dies ist nur mit einem massiven Ausbau von P2X und der Produktion von sog. Sustainable Aviation Fuel (SAF) mittels erneuerbarer Quellen möglich. Zudem sind Technologien zur CO2-Abscheidung zwingend, um in diesem Bereich in eine Kreislaufwirtschaft zu gelangen. Mit einer schrittweisen Erhöhung der Beimischquote von SAF bis 100% bis 2050 ist so CO2-neutrales Fliegen mit vertretbaren Kosten und auch verursachergerecht zu erreichen. Dieses Konzept wurde von Martin Bäumle zusammen mit Partnern entwickelt und seither erfolgreich vorangetrieben. Mit einer Digitalisierung, einer Optimierung bei den Triebwerken und der CO2-Abscheidung soll der Flugverkehr bis 2050 CO2- und klimaneutral werden, was technisch und ökonomisch eine weitere Herausforderung darstellt.

 

Die Entwicklung von Technologien für die Luftfahrt zur CO2-Abscheidung aus der Luft ist ein wesentlicher Treiber, damit die Kosten erschwinglicher werden und deren Einsatz auch für Negativemissionen ökonomisch erleichtert wird. Denn wir werden spätestens ab 2040 und bis Ende des 21 Jahrhundert darauf angewiesen sein, mittels Negativemissionen die Klimabilanz schrittweise wieder zu verbessern und den Klimawandel zu dämpfen. Auch hier hat die Schweiz mit Firmen wie Climeworks eine führende Rolle, die auch als Chance für den Forschungs- und Industriestandort Schweiz genutzt werden soll.

 

Parallel dazu muss die Hochseeschifffahrt, die für den Güterverkehr unverzichtbar ist und auch ein Teil der Mobilität bleiben wird, ebenfalls Klimaneutralität erreichen. Dafür dürfte P2X ebenfalls einer der Schlüssel sein.

 

Schliesslich werden bestehende fossile Fahrzeuge mit P2X-Synfuels klimaneutral betrieben werden müssen. Auch hier wäre eine schrittweise Erhöhung einer Beimischquote vorzugeben.

 

Forderungen:

  • Beimischquote für Sustainable Aviation Fuel (SAF) von 100% bis 2050 (schrittweise Erhöhung)
  • Förderung von Technologien zur CO2-Abscheidung aus der Luft

 

 

Resilient dank internationaler Kooperation

Die Grünliberalen sind überzeugt, dass die Schweiz mit Hilfe von P2X einen hohen Autarkiegrad oder zumindest eine hohe Resilienz auch im Winter erreichen könnte. Sehr grosse Mengen an Synfuels alleine in der Schweiz herzustellen, ist heute aus ökonomischer und aus ökologischer Sicht wenig sinnvoll. In anderen Weltgegenden herrschen bessere Bedingungen für die Produktion von Synfuels im grossen Massstab. Beispiele dafür sind die sonnigen Wüstengebiete wie in den bisherigen Erdölländern und neue Gebiete z.B. in Nordafrika, die vulkanischen Gebiete in Island oder die windreichen Küsten von Südamerika. Bei Lieferanten aus Nordafrika könnten sogar die bestehende Pipeline-Infrastrukturen weiter genutzt werden. Die Schweiz wird sich idealerweise auf dem internationalen Markt mit Synfuels eindecken können, die aus diversifizierten Quellen stammen. Durch eine Diversifizierung der Quellen wird eine weniger grosse Abhängigkeit von einzelnen Regimen und Regionen entstehen, als wir sie heute bei den fossilen Quellen haben. Um eine hohe Versorgungssicherheit zu garantieren, ist trotzdem eine ausreichende Produktion von Synfuels in der Schweiz anzustreben. Zudem ist bei den leitungsgebundenen Energieträgern die Zusammenarbeit mit der EU zu intensivieren.

 

Um die Herausforderungen im Klimaschutz zu meistern, müssen insbesondere auch die energieintensiven internationalen Transporte in der Luft und auf See bis 2050 CO2-neutral abgewickelt werden.

 

Für die Grünliberalen ist es zentral, dass die Schweiz die internationale Entwicklung bei den Synfuels nicht verpasst, sondern eine Vorreiterrolle einnimmt und optimal intergiert ist. Sie muss eine vorwärtsorientierte Strategie für den Bau eigener P2X-Anlagen entwickeln, sich im internationalen Dialog aktiv einbringen und sicherstellen, dass die Energiesysteme der Zukunft nicht um die Schweiz herumgeführt werden (Bsp. Planung des European Hydrogen Backbone).

 

Zudem braucht es internationale Mechanismen für die Anerkennung der Reduktion von Treibhausgasemissionen, damit Firmen, die Synfuels nutzen, sich die entsprechenden Investitionen anrechnen lassen können. Schliesslich hat die Schweiz eine lange Tradition in der chemischen Industrie und im Anlagenbau. Wenn es der Schweiz gelingt, weiterhin eine Rolle der Technologieführerschaft einzunehmen, eröffnen sich mit P2X grosse Chancen für die Schweizer Industrie.

 

Forderungen:

  • Abschluss eines Energieabkommen mit der EU und Anbindung an die geplanten Wasserstoffleistungen
  • Zwischenstaatliche Anerkennung über den Ein-/Verkauf von Treibhausgasemissionen
  • Förderung der Forschung und von Pilot- und Demonstrationsanlagen im Bereich von P2X
  • International abgestimmte P2X-Strategie zur Erreichung Netto-Null mit Sicherung der Wertschöpfung für den Werkplatz Schweiz

Exkurs: Herstellung von Synfuels ohne Strom (Heat-to-X oder Sun-to-X)

Wenn man von Power-to-X spricht, geht man davon aus, dass (grüner) Strom produziert wird, der dann genutzt wird, um einen anderen Energieträger - ein Synfuel - herzustellen. Es gibt aber auch Wege, um Synfuels auf direktem Weg zu erzeugen. Dabei stehen insbesondere solar-thermische Prozesse im Vordergrund. Man spricht dann von Heat-to-X oder Sun-to-X.

 

Weltweit führend bei der Herstellung von Synfuels aus konzentriertem Sonnenlicht ist das Schweizer Unternehmen Synhelion, ein ETH-Startup. Das Kernelement von Synhelion ist ein thermochemischer Reaktor, in dem Sonnenenergie über ein Spiegelfeld konzentriert und ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxyd (sog. Syngas) erzeugt wird. Die weitere Verarbeitung dieses Gases erfolgt nach herkömmlichen Prozessen zur Erzeugung von flüssigen Treib- und Brennstoffen. Im Gegensatz zu P2X, bei dem zuerst Strom hergestellt wird, zeichnet sich diese Technologie durch eine bessere Effizienz aus. Sie ist aber nur für Grossanlagen mit entsprechendem Flächenbedarf geeignet. Entsprechend werden solche Produktionsanlagen sinnvollerweise nicht in der Schweiz erstellt, sondern produzieren im Ausland. Insbesondere die Flugindustrie setzt auf diese Technologie, um vom Verbrauch von fossilen Treibstoffen wegzukommen und die Luftfahrt zu defossilisieren.

 

Viele Kernaussagen und Forderungen lassen sich von Power-to-X auf Heat-to-X übertragen. Insbesondere sind die Verwendungsmöglichkeiten der erzeugten Synfuels identisch. So können auch thermisch erzeugte Synfuels für die Verstromung und Netzstabilisierung eingesetzt werden.

Quellen und weiterführende Literatur

Hier kannst du das Strategiepapier "Power-to-X: So schaffen wir Klimaschutz und Versorgungssicherheit" downloaden.