Die Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) regelt die Freizügigkeit und den Aufenthalt von EU-Bürger:innen. Unser Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU ist jedoch weniger weitreichend, vor allem im Bereich der Sozialhilfe. Die UBRL wird nicht explizit im Abkommen erwähnt und müsste – wie jede Übernahme vom relevanten EU-Recht – separat in einem aufwendigen Prozess angegangen werden (Konsultations- und Gesetzgebungsverfahren mit Referendumsmöglichkeit!). Der Inhalt der dynamischen Rechtsübernahme kann falls nötig über das durch das Rahmenabkommen vorgesehene Schlichtungsverfahren geregelt werden. Eine pauschale und kategorische Ablehnung der UBRL ist primär eine innenpolitische Machtdemonstration der Gegner:innen des Rahmenabkommens, die sich sachlich nicht begründen lässt.
Die UBRL ist vielfältig. Sie lässt sich für uns in drei Bereiche unterteilen:
- Aspekte ohne Relevanz (sie sind eindeutig nicht Teil der Personenfreizügigkeit und somit ist die Schweiz nicht verpflichtet, sie zu übernehmen): Unionsbürgerschaft / Bürgerrechtsfragen
- Unproblematische Aspekte: Familiennachzug für gleichgeschlechtliche Paare, Aufenthaltsrecht für Personen, die bereits mehr als fünf Jahre bei uns arbeiten und leben (bereits heute so umgesetzt), Bedingungen für Ausschaffungen von kriminellen Ausländer:innen (die Verhältnismässigkeit muss bereits heute gewahrt werden)
- Ein wichtiger Aspekt, welcher innenpolitisch diskutiert werden müsste, falls die Übernahme der UBRL von Seiten der EU gewünscht würde, ist der Ausbau der Ansprüche auf Sozialhilfe. Hier ist offen, wie weit das Prinzip der Nichtdiskriminierung geht.
Der EuGH hat in mehreren Leiturteilen (C-333/13, C-299/14, C-67/14) bestätigt, dass die UBRL kein Freipass für einen Sozialhilfe-Tourismus ist. Es ist klar, dass es auch in Zukunft keine «Einreise in die Sozialhilfe» geben wird, da dafür die EU-Gesetzgebung geändert werden müsste – gegen die Interessen der grössten und wirtschaftlich stärksten EU-Länder wie Deutschland oder Frankreich.
Selbst wenn die Schweiz aufgrund eines Urteils des Schiedsgerichts angehalten werden sollte, die Regelungen in diesem Bereich zu übernehmen – was aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich ist – könnte sie immer noch auf eine Umsetzung verzichten und Ausgleichsmassnahmen der EU in Kauf nehmen, die jedoch verhältnismässig sein müssen. Die Schweiz würde in einem solchen Fall eine entsprechende Gleichbehandlung der Schweizer:innen im EU-Raum in Kauf nehmen müssen (als verhältnismässige Ausgleichsmassnahme).