Nachdem 2014 die Masseneinwanderungsinitiative knapp angenommen wurde, wurden die Verhandlungen für eine vollständige Beteiligung der Schweiz am europäischen Mobilitätsprogramm Erasmus+ wegen der Nicht-Ratifizierung des Zusatzprotokolls für die Personenfreizügigkeit mit Kroatien abgebrochen. Die Schweiz nimmt deshalb an den Aktivitäten des Bildungsprogramms Erasmus+ nur als nicht assoziiertes Drittland teil. Seit Ende 2016 ist klar, dass eine Vollassoziierung wieder möglich wäre. Ende 2017 hat das Parlament mit einer Motion den Bundesrat beauftragt, Verhandlungen für eine Vollassoziierung an Erasmus+ aufzunehmen. Leider wurde diese Motion bis heute noch nicht umgesetzt.
Für die Zukunft der Schweiz ist es von herausragender Bedeutung, dass sie ihre führende Rolle in den Bereichen Bildung, Forschung, und Innovation erhalten und im internationalen Wettbewerb stärken kann. Kompetenzen und Erfahrungen, die besonders jüngere Menschen während einem Auslandaufenthalt gewinnen, sind wesentliche Vorteile auf dem internationalen, globalen Arbeitsmarkt. Sprachkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen, Kenntnisse der Geschichte, Politik und Wirtschaft anderer Länder sowie Netzwerke im Ausland sind ein grosser Vorteil auf dem Schweizerischen Arbeitsmarkt.
Wir haben ein unmittelbares Interesse an einer engeren Vernetzung mit Europa im Bildungs- und Forschungsbereich. Die langfristige Sicherung und Erweiterung der internationalen Zusammenarbeit und Mobilität in der Bildung leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Wir sind davon überzeugt, dass eine vollständige Assoziierung am Folgeprogramm von Erasmus+ der Königsweg im Sinne dieses Ziels ist. Demgegenüber bringt die Schweizer Sonderlösung keine erkennbaren Vorteile und hat gewichtige Nachteile.
Im Grundsatz ist die Bedeutung von einem längeren Aufenthalt in anderen Sprachregionen oder im Ausland unbestritten, wie etwa auch die Verabschiedung der nationalen «Strategie für Austausch und Mobilität» zeigt. Mit der aktuellen Schweizer Lösung wird dieses Ziel aber eher behindert als gefördert. So ist der Zugang zu den Aktivitäten des europäischen Programms eingeschränkt. Dadurch gehen Chancen zur internationalen Vernetzung und zur Weitergabe von Knowhow, z.B. in der Berufsbildung, verloren. Beispielsweise hat die Schweiz keinen Zugang zu einzelnen ergänzenden Angeboten, wie zum Beispiel die kostenlose Online-Sprachunterstützung. Kooperationsprojekte unter Leitung einer Schweizer Institution sind zudem nicht möglich.
Vielfältig sind auch die Vorteile, die sich bei einer Vollassoziierung am Folgeprogramm zu Erasmus+ bieten. Unsere Hochschulen gewinnen an Attraktivität, weil die Schweiz vollwertiges Mitglied wird. Gleichzeitig kann unnötige Bürokratie vermieden werden. Bei der Wahl von Partneruniversitäten haben Studierende und Lehrende mehr Auswahl. Internationale Projekte mit unseren europäischen Partnern und daraus entstehende Synergien werden erleichtert, ebenso wie der Zugang zu digitalen Tools. Ähnlich attraktiv ist eine Vollassoziierung auch in den Bereichen der Berufsbildung sowie der schulischen und ausserschulischen Bildung: erleichterter Zugang zu Austauschprogrammen, Fort- und Weiterbildungsaufenthalte, Erwerb von Kompetenzen, Austausch von Innovation und Methoden, Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit und Employability, attraktives/dynamisches Umfeld, Zugang zu vernetzenden Aktivitäten, Plattformen und digitalen Tools, Qualitätssteigerung, Lancierung von Kooperationsprojekten, stärkere Beteiligung der jüngeren Generationen am gesellschaftlichen Leben etc..