Ausgangslage und Zeithorizont bis 2040
Im Mai 2017 hat das Stimmvolk der Energiestrategie 2050 klar zugestimmt und damit ein Verbot für das Erteilen einer Rahmenbewilligung für Kernkraftwerke in das Kernenergiegesetz geschrieben (Art. 12a KEG).
Auf diesem Entscheid basieren zahlreiche Studien und Szenarien, die aufzeigen, wie die Energieversorgung der Schweiz kernenergiefrei sichergestellt werden kann bei einer gleichzeitigen Dekarbonisierung bis 2050.
Die Grünliberalen haben in ihrer Strategie CoolDown2040 aufgezeigt, welche Massnahmen und Technologien eingesetzt werden müssen, um das Ziel Netto-Null schon 2040 zu erreichen. Dabei werden – mit Ausnahme der Luftfahrt - alle Emissionen berücksichtigt, also nicht nur Emissionen, die aus dem Energiesektor stammen. Alle Massnahmen beruhen auf heute bekannten Technologien, die marktreife erreicht haben und weit verbreitet eingesetzt werden können. Einzig bei negativen Emissionen, die gegen Ende der Periode bis 2040 vermehrt notwendig werden, sind die Technologien noch nicht im grossen Massstab verfügbar.
Die Roadmap Grossen ergänzt die Strategie CoolDown 2040 und zeigt im Detail auf, wie die Stromproduktion in der Schweiz im Jahr 2050 mit erneuerbaren Technologien sichergestellt werden kann – ohne Atomkraft und ohne Netto-Importe. Die Roadmap setzt primär auf mehr Energieeffizienz, einen starken Zubau der Photovoltaik und intelligente Stromnetze. Sie berücksichtigt dabei den steigenden Strombedarf für eine komplette Elektrifizierung des Verkehrs und einen höheren Stromverbrauch für Wärmepumpenheizungen.
Die Grünliberalen sind überzeugt, dass im Zeithorizont bis 2040/50 eine fossil- und nuklearfreie Stromversorgung der Schweiz wirtschaftlich und umweltfreundlich möglich ist. Dafür braucht es jetzt den politischen Willen zur Umsetzung der heutigen Möglichkeiten - bestehend aus einem breiten Mix von verschiedenen erneuerbaren Energiequellen, verbunden mit einer effizienten Nutzung und intelligenten Steuerung. Dieser Weg muss möglichst rasch, konsequent und ohne Seitenblicke auf vielleicht unerfüllbare Hoffnungen in zukünftige, noch zu entwickelnde Technologien verfolgt werden. Abgesehen davon sind die Kosten der Kernenergie – insbesondere mit den damit zusammenhängenden Entsorgungskosten – im Vergleich zu erneuerbaren Technologien nicht konkurrenzfähig.
Zeithorizont ab 2040
In einem längeren Zeithorizont können sowohl auf der Nachfrage- wie auch auf der Produktionsseite neue Technologien aufkommen und marktfähig werden. Nachfrageseitig zeichnet sich ein erhöhter Bedarf für die Produktion von synthetischen Treibstoffen ab, mit deren Hilfe auch die Luftfahrt komplett dekarbonisiert werden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass das CO2 zuerst aus der Luft gewonnen werden kann. Das Rückholen von CO2 aus der Luft ist aber ein weiterer Treiber für die Nachfrage nach Energie – unabhängig davon, ob das CO2 anschliessend zu einem synthetischen Treibstoff verarbeitet oder in einer permanenten CO2-Senke eingelagert wird.
Auf der Produktionsseite liegen Hoffnungen auf der Kernfusion, die aber in den nächsten 20-30 Jahren und mehr kaum aus dem Forschungsstadium herauskommen dürfte. Heute wird es schon als grosser Durchbruch gefeiert, wenn eine Reaktion während 5 Sekunden aufrecht erhalten werden kann - allerdings noch unter sehr viel mehr Energieaufwand als in der Fusion gewonnen wird.
Von verschiedenen Seiten werden wieder neue Kernkraftwerke gefordert, die auf der Kernspaltung beruhen. Man spricht von neuen Generationen und Kleinkraftwerken (SMR – Small Modular Reactor). Sowohl die Begriffe ‘nächste Generation’ als auch SMR sind Sammelbegriffe, die sehr vage sind. Wie diese aussehen sollen, auf welcher Technologie sie beruhen und wie die Probleme heutiger Kernkraftwerke gelöst werden sollen, bleibt unklar. Insbesondere ist «kleiner» nicht grundsätzlich besser (sicherer?). Viel wichtiger als die Grösse ist die Frage, wie diese neuen Technologien die Probleme der heutigen Kernkraftnutzung lösen.
Bedingungen für die Nutzung nuklearer Technologien in der Zukunft
Sollten die Grünliberalen je einer Nutzung der Kernenergie zustimmen, müssen die Probleme heutiger Kernkraftwerke gelöst sein.
Die heutige Nutzung der Atomenergie beruht immer auf der Spaltung von Uran. Sie hat drei gravierende Nachteile:
- Die Kettenreaktion lässt sich schwer kontrollieren.
Diese Schwierigkeit hat schon zu zahlreichen Reaktorunfällen geführt, darunter die bekanntesten von Fukushima (2011), Tschernobyl (1986) und Three Mile Island (1979). Auch in der Schweiz kam es im unterirdischen Versuchsatomkraftwerk in Lucens 1969 zu einem schwerwiegenden Unfall. Solange die Energiegewinnung auf einer selbsterhaltenden Kettenreaktion beruht, sind schwerwiegende Unfälle nicht auszuschliessen. - Es entsteht sehr langlebiger, radioaktiver Abfall.
Die Endlagerung des langlebigen, radioaktiven Abfalls ist nach wie vor ungelöst. Eine sichere Lagerung der Abfälle über mehrere hundert Jahre kann von der heutigen Generation kaum sichergestellt werden – notwendig wären aber tausende von Jahren. - Es entstehen waffenfähige Elemente.
Die Spaltprodukte aus heutigen Reaktoren beinhalten Elemente, die zum Bau von Atomwaffen (namentlich Plutonium-239) oder für ‘schmutzige’ Bomben verwendet werden können. Eine unkontrollierte Weitergabe dieser Materialien kann schwerwiegende Konsequenzen im Kriegsfall oder bei terroristischen Aktivitäten haben.
Eine zukünftige Atomenergietechnologie muss Lösungen für alle drei Problembereiche bieten:
- Sie muss intrinsisch sicher sein, d.h. ohne selbsterhaltende Kettenreaktion auskommen
- Alle entstehenden Elemente müssen kurze Halbwertszeiten haben
- Die Gefahr der Proliferation muss gebannt sein
Ausserdem müsste eine zukünftige Atomenergietechnologie ökonomisch konkurrenzfähig sein.